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begrüßenswerte Einrichtung von Modellklassen, von Klassen also, in denen die Gastarbeiterkinder,
abgesehen von 5 bis 8 Stunden Deutschunterricht, ganz in ihrer Muttersprache unterrichtet werden.
Es wurde vielmehr nach dem Beschluss der Länderkultusminister verfahren, demzufolge
Gastarbeiterkinder, die dem Unterricht an einer deutschen Schule ohne erhebliche
Sprachschwierigkeiten folgen können, in die ihrem Alter und ihren Leistungen entsprechende Klasse
aufzunehmen sind.
Der Freistaat Bayern hatte sich an den Kultusministerbeschluss nicht gehalten, vielmehr auch andere
Alternativen zugelassen. Von dieser Möglichkeit wurde auf Initiative des Konsulats vor 10 Jahren
Gebrauch gemacht.
Die seinerzeit von deutscher Seite angebotene Schulform sah – um es noch einmal zu wiederholen –
die volle Integrierung der ausländischen Kinder in die vorhandenen deutschen Schulklassen vor. Dies
hatte zur Folge, dass die Mehrzahl der ausländischen Schüler einfach überfordert war. Obwohl sie die
deutsche Sprache nicht richtig beherrschten, sollten sie in ihr schreiben, lesen, rechnen oder denken
lernen. Die Kinder waren praktisch zum Taubstummsein und damit zur Teilnahmslosigkeit verurteilt.
Die Errichtung der Griechischen Volksschule in Nürnberg sollte diesen Gefahren vorbeugen. Sie
gewährleistet eine schulische Ausbildung wie im Mutterland mit entsprechenden Lehrstoffen. Hierzu
kommt noch der Pflichtunterricht in deutscher Sprache. Die Kinder wachsen somit zweisprachig auf.
Die private Griechische Volksschule in Nürnberg begann 1966 mit 145 Schülern in 2 Klassen
unterrichtet von 2 Lehrkräften. Eine dieser Lehrkräfte ist heute als Gast unter uns. Aus den 145 sind
mittlerweile 1.425 Schüler in 42 Klassen geworden – eine dynamische, fast möchte man sagen:
atemberaubende Entwicklung.
Sie war nur möglich durch einen selbstlosen Einsatz der Mitarbeiter des Konsulats und hier vor allem
von Frau Lösch und Herrn Bourlos, ferner durch eine von Verständnis und Aufgeschlossenheit
getragene Unterstützung seitens der Regierung von Mittelfranken sowie der staatlichen und der
städtischen Schulbehörden von Nürnberg.
Allen Beteiligten darf ich in dieser Stunde für ihre beispielhafte Einsatzfreude und für die
verständnisvolle Mitwirkung den aufrichten Dank des Herrn Dr. Schickedanz aussprechen.
Was die Schule im einzelnen an Arbeit mit sich bringt und an Problemen aufwirft, vermag ein
Außenstehender kaum zu ermessen. Es fängt damit an, dass kein eigenes Schulgebäude zur Verfügung
steht. Vielmehr sind die 42 Klassen auf Schulräume in
6 städtischen Schulhäusern verteilt. Der Unterricht kann wegen des Raummangels nur am Nachmittag
stattfinden. Zur Zeit unterrichten an der Schule 50 Lehrkräfte, die fast ausschließlich im griechischen
Beamtenverhältnis stehen.
Die Schule wird finanziell durch den Freistaat Bayern (BaySchFG) gefördert.
Die Abwicklung der Personal- und Sachkosten wie überhaupt die gesamte Verwaltungsarbeit liegt in
den Händen des Konsulats, das in Vertretung der Republik Griechenland die Funktion des
Schulträgers ausübt.
Große Probleme ergeben sich durch den häufigen Wechsel der im griechischen Beamtenverhältnis
stehenden Lehrer. Das Konsulat ist jedoch bemüht, im Interesse der Schüler Kontinuität
hineinzubringen. Der stellvertretende griechische Kultusminister, der uns am vergangenen Freitag
besuchte, hat deshalb zugesagt , hier für wirksame Abhilfe zu sorgen.
Leider können wegen der Aufteilung der Klassen auf verschiedene Schulgebäude auch die Eltern nicht
immer zufriedengestellt werden. Die Eltern möchten natürlich, dass ihre Kinder eine Schule besuchen
können, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu ihrer Wohnung liegt.
Alle diese Probleme beeinträchtigen jedoch den reibungslosen Betrieb der Schule nicht – einer Schule
übrigens, die in ihrer Art beispielhaft in der Bundesrepublik ist. Worin besteht nun das Besondere
dieser Schule?
Griechenland kennt im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland nur eine Volksschulpflicht von 6
Jahren und zwar unterteilt in die sog. Grundschule mit den Jahrgängen 1 – 4 und die sog.
Teilhauptschule I für die Jahrgänge 5 und 6. Nach diesem Prinzip wurde zunächst auch die hiesige
Schule aufgebaut. Der Vorteil lag darin, dass die Kinder einen – nach griechischen Anforderungen –
abgeschlossenen Volksschulbesuch aufweisen konnten. Im Laufe der Zeit stellte sich jedoch heraus,
dass ein berechtigtes Interesse daran bestand, auch die Anschlussmöglichkeit an eine weiterführende
Schule zu finden.
Durch die Anhebung der Schulpflicht in Griechenland von 6 auf 9 Jahre konnte im Schuljahr 1975/76
die Teilhauptschule II für die Jahrgänge 7- 9 eingerichtet werden.
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